Die aktuelle Diskussion um das NDR-Format „Klar“ und seine Moderatorin Julia Ruhs ist mehr als ein interner Konflikt – sie berührt Grundfragen unserer Demokratie. Wenn Teile der Belegschaft und sogar einzelne Rundfunkräte versuchen, durch massiven Druck eine Redaktion und ihre Moderatorin in Misskredit zu bringen, ist das ein alarmierendes Signal. Pressefreiheit muss auch innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelten.
Das Format „Klar – Was Deutschland bewegt“ startete im April 2025 als Gemeinschaftsproduktion von NDR und BR und wurde von Julia Ruhs moderiert. Es greift Themen auf, die viele Menschen bewegen, und stößt mit klarer Haltung gesellschaftliche Debatten an. Genau das ist der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – er soll die ganze Bandbreite der Meinungen sichtbar machen. Die durchweg positiven Reaktionen aus der Zuschauerschaft zeigen, dass „Klar“ diesen Auftrag erfüllt. Doch nach gerade drei ausgestrahlten Folgen teilte der NDR mit, nicht länger mit Ruhs zusammenarbeiten zu wollen – zumindest nicht für die vom NDR verantworteten Ausgaben des Formats. Ruhs soll künftig lediglich die vom BR produzierten Episoden moderieren, während der NDR neue Moderatoren einsetzen will. Gründe für diese Entscheidung wurden nicht öffentlich konkret benannt.
Vieles spricht dafür, dass gegen die Moderatorin und die Redaktion nicht allein professioneller Dissens, sondern eine koordinierte interne Kampagne wirkte. Nach Recherchen haben sich hunderte Mitarbeitende des NDR per Brief von „Klar“ distanziert, mit Vorwürfen gegen Inhalte, Moderation und Ausrichtung. Dass eine Sendung, die inhaltlich wichtige Debatten anstößt und beim Publikum Bestnoten erhält, ausgerechnet im eigenen Haus unter Beschuss gerät, zeigt eine Schieflage auf.
Für mich ist klar: Wenn ein Beitrag, der vom Publikum geschätzt wird und neue Meinungen vertritt, von internem Druck ausgeschaltet wird, dann ist das ein Alarmzeichen für jede demokratische Gesellschaft. Jeder öffentlich-rechtliche Sender trägt die Verantwortung, Meinungsvielfalt nicht nur zu proklamieren, sondern aktiv zu ermöglichen – auch und gerade dann, wenn Stimmen unbequem sind. Es darf nicht sein, dass Kolleginnen und Kollegen ausgegrenzt werden, weil sie Ansätze vertreten, die nicht der Redaktionsmehrheit entsprechen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk lebt von seiner Glaubwürdigkeit. Er darf nicht zum Schlachtfeld interner Machtkämpfe werden. Der NDR sollte „Klar“ mit Julia Ruhs nicht nur finanziell und strukturell sichern, sondern das Format dauerhaft fortführen – mit echter Programmverantwortung und garantierter Unabhängigkeit. Und gleichzeitig muss der ÖRR und die Politik nach Reformmöglichkeiten suchen, um den öffentlichen Rundfunk für die Zukunft neu aufzustellen – mit der gesamten Bandbreite an Meinungen, die auch in der Gesellschaft existiert. Wer Meinungsfreiheit will, muss auch diejenigen aushalten, die anderer Meinung sind.
