In unserer Gesellschaft ist trotz aller bisheriger Bemühungen das Ausmaß von sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen alarmierend. Ein erschreckendes Indiz dafür sind die Zahlen: Im Jahr 2020 wurden in Niedersachsen 4.532 Ermittlungsverfahren im Bereich der Missbrauchsdarstellungen an Kindern eingeleitet, im Vergleich zu 1.630 Verfahren im Jahr 2016.
Die CDU-Landtagsfraktion weist seit einigen Jahren auf die Dringlichkeit dieses Problems hin, bisher konnten wir mit unseren Forderungen leider keine Mehrheit im Parlament finden. Die rechtzeitige Erkennung von Missbrauchsanzeichen durch das medizinische Fachpersonal ist aber fundamental. Ein effektiver interkollegialer Austausch zwischen Ärzten kann hierbei entscheidend sein. Allerdings besteht derzeit eine Unsicherheit bei vielen Medizinern, solche Informationen mit Kollegen zu teilen, da die gesetzlichen Bestimmungen zur ärztlichen Schweigepflicht diesbezüglich unklar sind. Nicht umsonst ist die ärztliche Schweigepflicht ein hohes Gut, in Anbetracht möglicher Missbrauchsfälle muss jedoch vor allem das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Bereits 2021 wurde die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, dass die Bundesländer eine diesbezügliche Regelung in ihrem Verantwortungsbereich umsetzen können. Viele Bundesländer wie NRW haben dies bereits getan. Um dieser Herausforderung zu begegnen, haben wir als CDU-Landtagsfraktion einen Antrag verfasst, um auch in Niedersachsen die Möglichkeit des interkollegialen Austausches bei deutlichen Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung rechtssicher zu regeln.
Die Sorgeberechtigten von misshandelten Kindern wechseln häufig ihren Arzt, um möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Misshandlungen zu verringern. Mit unserem Antrag setzen wir uns dafür ein, dass Untersuchungsergebnisse des erstbehandelnden Arztes an die weiterbehandelnden Ärzte ohne die Zustimmung der Erziehungsberechtigten weitergegeben werden dürfen, wenn Anhaltspunkte einer Misshandlung vorliegen. Mit diesem Schritt möchten wir zur Rechtssicherheit im Bereich der interkollegialen Vernetzung beitragen und so den Kinderschutz insgesamt stärken.
Der interkollegiale Ärzteaustausch ist dabei nur ein Baustein für mehr Kinderschutz. Wir benötigen ein Kinderschutzkonzept auf Landesebene, indem zum Beispiel der schnelle und umfassende Austausch zwischen den Behörden vorgenommen werden kann. Datenschutz darf nie über Kinderschutz stehen!