Die Lagebilder der Landesregierung zeichnen seit Jahren ein deutlich zu rosiges Bild. Wer genauer hinsieht, erkennt jedoch ein massives Vollzugsdefizit: Organisierte Kriminalität erwirtschaftet in Niedersachsen Millionenbeträge, während der Staat nur einen Bruchteil davon tatsächlich abschöpft. 2024 standen kriminellen Erträgen von rund 27 Millionen Euro lediglich etwa 7,5 Millionen Euro gegenüber, die den Tätern entzogen werden konnten. Diese Diskrepanz ist ein fatales Signal – für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für kriminelle Netzwerke. Es darf in einem Rechtsstaat nicht der Eindruck entstehen, dass sich Verbrechen am Ende lohnt.
Die Vermögensabschöpfung ist eines der wirksamsten Mittel, um organisierte Kriminalität, Clankriminalität, Geldwäsche, Wirtschaftskriminalität und auch die Finanzierung extremistischer Strukturen nachhaltig zu bekämpfen. Doch ihre Anwendung ist komplex, personalintensiv und in Niedersachsen bislang weder ausreichend koordiniert noch strategisch aufgestellt. Genau hier setzt unser Antrag an.
Wir wollen, dass Vermögensabschöpfung zum Standardinstrument der Strafverfolgung wird – nicht zu einer selten genutzten Option. Dazu müssen die gesetzlichen Grundlagen im Bund geschärft werden, etwa durch die Umwandlung zentraler Kann-Vorschriften in verbindliche Soll-Regelungen oder eine wirksamere Beweislastumkehr bei Vermögen unklarer Herkunft. Auch die Ermittlungsbefugnisse im digitalen Bereich müssen verbessert werden, damit Finanzströme krimineller Gruppen frühzeitig erkannt und unterbunden werden können.
Damit diese Maßnahmen ihre volle Wirkung entfalten, braucht es aber auch strukturelle Veränderungen im Land. Niedersachsen benötigt eine professionelle, zentral verankerte Koordinierung: eine eigenständige Zentralstelle für Vermögensabschöpfung bei der Generalstaatsanwaltschaft in Celle. Sie soll Expertise bündeln, komplexe Verfahren mit Auslandsbezug oder hohen Vermögenswerten selbst führen und Staatsanwaltschaften sowie Polizeibehörden landesweit beraten und unterstützen. Bayern zeigt, wie effektiv ein solches Modell sein kann.
Ebenso wichtig ist ausreichend qualifiziertes Personal. Finanzermittler bei der Polizei sowie spezialisierte Rechtspfleger bei den Staatsanwaltschaften sind das Rückgrat erfolgreicher Abschöpfung. Ohne diese Fachkräfte können Vermögenswerte im frühen Stadium eines Ermittlungsverfahrens kaum gesichert werden. Eine gemeinsame digitale Datenbank soll künftig sicherstellen, dass Polizei und Justiz jederzeit auf denselben Informationsstand zugreifen können – ein entscheidender Faktor für koordinierte Maßnahmen.
Schließlich muss das Land prüfen, wie beschlagnahmte Werte effizienter verwertet werden können. Luxusgüter, Immobilien oder Bargeld verlieren an Wert, wenn sie zu lange ungenutzt lagern. Professionelle Verwertung kann dafür sorgen, dass der Staat – und damit die Allgemeinheit – einen deutlich höheren Anteil der kriminellen Gewinne zurückerhält.
Ein glaubwürdiger Staat muss zeigen, dass kriminelle Strukturen keine wirtschaftlichen Vorteile aus ihren Taten ziehen. Genau dazu wollen wir Niedersachsen befähigen. Es geht nicht um Symbolpolitik, sondern um ein rechtsstaatliches Kernversprechen: Straftaten dürfen sich nicht lohnen. Mit unserem Antrag legen wir den notwendigen Rahmen vor, damit Vermögensabschöpfung endlich dort wirkt, wo sie am wirkungsvollsten ist – direkt im Geldbeutel der Täter.