Eine gute medizinische Versorgung muss für alle Menschen da sein – unabhängig vom Geschlecht. Doch noch immer wird in der Medizin viel zu oft der männliche Körper als Maßstab genommen. Das führt zu falschen Diagnosen, fehlerhaften Behandlungen und einer Gesundheitsversorgung, die vielen Frauen nicht gerecht wird. Beispielsweise zeigt sich ein Herzinfarkt bei Männern meist durch starke Brustschmerzen – bei Frauen hingegen häufig durch eher unspezifische Symptome wie Rückenschmerzen, Atemnot oder starke Erschöpfung. Diese Unterschiede führen dazu, dass Herzinfarkte bei Frauen oft zu spät erkannt und behandelt werden. Laut Herzinfarktregister sterben Frauen deshalb häufiger an einem Infarkt als Männer. Hingegen werden Depressionen, Brustkrebs oder Osteoporose oft bei Männern nicht erkannt, da sie als Frauenkrankheiten gelten und bei Männern andere Symptome haben. Zudem gibt es Erkrankungen, die noch sehr wenig erforscht sind: Wer an Endometriose oder Lipödem leidet, kennt die lange Odyssee von Praxis zu Praxis. Es sind Krankheiten, die Millionen Frauen betreffen – aber noch immer nicht ausreichend erforscht sind. Mit unserem Antrag im Niedersächsischen Landtag wollen wir das ändern.

So kommt es sowohl bei Lipödem als auch Endometriose zu jahrelangen Schmerzen, zum Verlust von Lebensqualität, zu Arbeitsausfällen und in vielen Fällen auch zu unerfülltem Kinderwunsch. Diese Realität ist für Betroffene bitter – und sie ist vermeidbar. Deshalb fordern wir als CDU-Fraktion: Niedersachsen muss mehr Verantwortung für geschlechtersensible Forschung und Versorgung übernehmen.

Konkret setzen wir uns dafür ein, dass geschlechtersensible Medizin verbindlich in die Aus-, Fort- und Weiterbildung für medizinisches Personal aufgenommen wird. Wer morgen behandelt, muss heute lernen zu verstehen, dass Krankheiten sich bei Frauen und Männern unterschiedlich äußern – und entsprechend anders behandelt werden müssen. Gleichzeitig wollen wir, dass Hochschulen und Universitätskliniken gezielt dabei unterstützt werden, Fördermittel im Bereich Frauengesundheit zu beantragen und Forschungsprojekte zu Endometriose und Lipödem aufzubauen. Denn Forschung ist der erste Schritt zur besseren Versorgung.

Ein Vorbild ist für uns das Kompetenzzentrum für geschlechtersensible Medizin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Dieses Zentrum hat das Potenzial, weit über Niedersachsen hinaus zu wirken – vorausgesetzt, es wird weiter ausgebaut und besser vernetzt. Forschung, Lehre und Patientenversorgung müssen hier Hand in Hand gehen.

Aber auch ganz konkret bei der Versorgung wollen wir Verbesserungen erreichen: Wir fordern, dass die Beratung bei Endometriose angemessen vergütet wird – in der Klinik genauso wie in der Haus- oder Frauenarztpraxis. Denn eine gute Beratung darf nicht allein vom Idealismus einzelner Ärztinnen und Ärzte abhängen. Ebenso braucht es einheitliche, fachkundige Begutachtungen bei Lipödem, damit Patientinnen nicht mehr auf fragwürdige „Experten“ angewiesen sind oder sich aus Verzweiflung verschulden müssen, um Behandlungen zu finanzieren. Nicht zuletzt verdienen auch Selbsthilfegruppen mehr Unterstützung. Sie sind oft die erste Anlaufstelle für Betroffene, leisten Aufklärung, begleiten durch den Alltag und geben Halt. Diese wichtige Arbeit muss endlich auch politisch anerkannt und gestärkt werden.

Schweden und Kanada haben längst gezeigt, wie moderne, geschlechtergerechte Medizin aussehen kann. In diesen Ländern werden Symptome und Krankheitsverläufe von Anfang an differenziert betrachtet – mit messbarem Erfolg. Studien belegen: Wenn Medizin sich an den Bedürfnissen aller orientiert, verkürzen sich Diagnosezeiten, steigen Therapieerfolge und sinken die langfristigen Kosten im Gesundheitssystem.

Selbst die FIFA hat erkannt, dass es unterschiedliche Merkmale zwischen den Geschlechtern gibt und finanziert ein Forschungsprojekt, dass die hormonellen Schwankungen im Menstruationszyklus und dem erhöhten Risiko für Kreuzbandrisse bei Fußballerinnen untersucht. Nach aktuellen Erkenntnissen sind Frauen zwei- bis sechsmal häufiger von Kreuzbandverletzungen betroffen als Männer.

Mit unserem Antrag wollen wir ein Umdenken anstoßen – in Forschung, Lehre, Versorgung und Öffentlichkeit. Es geht um nicht weniger als das Vertrauen in eine Gesundheitsversorgung, die alle ernst nimmt. Und es geht um eine zentrale Frage: Wollen wir eine Medizin für alle – oder eine, die nur für manche funktioniert? Für uns als CDU steht fest: Eine Medizin, die gerecht sein will, darf nicht bei der Hälfte der Bevölkerung wegsehen.